Kritik
Bevor Arnold Schwarzenegger Mitte/Ende der 1990er Jahre Zeuge davon wurde, wie seiner Karriere langsam die Luft entwich, musste sich erst einmal Sylvester Stallone eingestehen, dass sich die Zeiten wohl oder übel ändern werden. Die beiden virilen Kino-Heroen, denen in der Blütezeit ihres Schaffens, den bulligen 1980er-Jahren, immerzu ein fiebriges Verhältnis zueinander angedichtet wurde, haben sich später in der auf Old-School-Action bedachten Trilogie von „The Expendables“ finden und lieben lernen können. Und das ist auch alles gut und schön so, allerdings muss man sagen, dass man als Anhänger der beiden Ikonen des maskulinen Genre-Flics so manchen Klops jener Dekade gerne vergessen machen würde. Bei Arnold Schwarzenegger wären das „Junior“ und , bei Sylvester Stallone zweifelsfrei der elendige Rohrkrepierer „The Specialist“ von 1994. Der von Luis Llosa inszenierte – mit gutem Willen als ein solcher zu bezeichnen - Action-Thriller wurde nicht umsonst Auftakt für eine Reihe enttäuschender Stallone-Vehikel.
Dabei lief es doch gerade wieder rund: Glücklicherweise hatte man nämlich gemerkt, dass Sylvester Stallones Exkursionen in den komödiantischen Sektor mit „Oscar – Vom Regen in die Traufe“ und „Stop! Oder meine Mami schießt“ vielleicht nicht die beste Ideen für eine erfolgversprechende Zukunftsplanung sind. Dementgegen legte Stallone mit zwei seiner stärksten Arbeiten überhaupt nach und konnte die Zähne fletschende Fanschar durch „Cliffhanger – Nur die Starken überleben“ und „Demolition Man“ wieder von seiner unverkennbaren Manneskraft überzeugen. Aber der Freudentaumel, er sollte nicht anhalten: „The Specialist“ wurde in die Kinos gepfeffert. Eine 45 Millionen Dollar verschleißende Produktion, die eigentlich unter der Ägide von Steven Seagal hätte realisiert werden sollen. Es mag abstrus erscheinen, hat man sich etwas mit dem Œuvre des pferdeschwanztragenden Kampfkünstlers befasst, aber mit Seagal auf dem Regieposten und in der Hauptrolle wäre „The Specialist“ womöglich problemlos wegzulachender Edeltrash geworden, anstatt in seiner taxierten Debilität derart ermüdend auszufallen.
Sylvester Stallone jedenfalls schlüpft in die Rolle des Sprengstoffexperten Ray Quick, quittiert den den Job im DIENST der US-Regierung allerdings, nachdem er sich aufgrund von moralischen Diskrepanzen mit seinem Kollegen Ned Trent (James Woods) entzweite. Lieber lässt sich Ray Quick als freiberuflicher Privatbomber in Miami nieder und selektiert sein Klientel auf eigene Faust. Und wie soll es anders sein: Natürlich kreuzen sich die Wege von Ray und Ned erneut, versucht Ray doch die verzweifelten May (Sharon Stone) dabei zu unterstützen, ihre Rachegelüste zu befriedigen, schließlich wurden ihre Eltern einst von fiesen Mafiaschergen umgebracht – Und sie musste alles mitansehen. Herrje! „The Specialist“ scheitert keinesfalls daran, einzig und allein stereotypisierte Rollenmodelle zu bedienen. Vielmehr ist es so, dass „The Specialist“ nie aus dem Tritt gelangt und seine mit Pyrotechnik aufgeblasenen Action-Sequenzen furchtbar hilflos in eine merkwürdig schwülstiges Sülzgurke von Film integriert. Stallone und Stone hauchen schmachtend in den Telefonhörer und Kameramann Jeffrey L. Kimball grast die ehemalige Sexbombe Hollywoods repetitiv von den Beinen über die Nippel hin zu den Lippen ab. Stimulierend. Nicht.
„The Specialist“ will nämlich auch mit erotischer Komponente gefallen, lässt, wenn John Barrys Komposition mal Auszeit hat, die typische „Erst tanzen, dann bumsen“-Sambamukke im Hintergrund rodeln und hat dann auch noch eine Sexszene im Repertoire, die den salbungsvollen Eros des Zuschauers gnadenlos im Keim erstickt respektive ersticken würde, wäre das Ganze nicht so hölzern aufgezogen. In manchen Szenen fehlt nur noch der Weichzeichenfilter und der Soft-Porno wäre in Wege geleitet: Die vom Schweiß leicht glänzenden Leiber jedenfalls stehen hier Schlange! Aber im Ernst: „The Specialist“ ist ein Film ohne jedwede dramaturgische Antriebskraft, alles versiebt im Nirgendwo, narrativ ist das so schleppend-lustlos vorgetragen, als hätte man hinter der Kamera selbst nicht mehr daran glauben können, dass hier irgendwie noch etwas Dynamik in die Chose gepresst wird. Dementsprechend lethargisch agiert auch das ansehnliche Starensemble: Zwischen Stallone und Stone soll es gewaltig knistern, es reichte aber maximal zum monotonen Grillenzirpen. Einzig James Woods hat gemerkt, dass hier eh nichts zu holen ist, gibt befreit Vollgas und changiert zwischen cholerisch und bekloppt nach Belieben umher.
Fazit
Zwischen schwülstig-ineffizientem Bumsflair und hundsmiserabler Rachegeschichte, ist „The Specialist“ vor allem eine Sache: Stinklangweilig. Ein Kriterium, welches mit Sicherheit nicht als vollwertig anzusehen ist, dieses schmachtende Desaster von Stallone-Vehikel aber gut beschreibt – Neben seiner kompletten Lächerlichkeit. Es gilt: Finger weg, denn Fremdscham tut nicht gut.
Kritik: Pascal Reis
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